Trüffeltorte mit neuer Liebe
Auf der Trüffeltorte zu meinem 71. Geburtstag stecken sie… fast weichgeworden von dem flackernden Kreis der Kerzen: die Zahlen 7 und 1. Ich kämme weiße Haare und entdecke Falten in meinem Gesicht. Wie Notizen, die die Zeit hinterließ. Meine Augen blicken etwas müde. Es ist mein 71. Geburtstag. Zum Damenkränzchen: Hilde, Marianne und die lebenslustige Erna. Ich habe mir von ihnen nur einen Gutschein gewünscht. Für Kaffee oder Tee. Mehr brauche ich doch nicht. Und was steckt da unter der Trüffeltorte? Ein Gutschein für ein Beratungsgespräch bei der Partnervermittlung Der gemeinsame Weg. Ich bin 71 und soll da hin? Nach drei Schlehenlikören überzeugen mich die resoluten Freundinnen.
Die Inhaberin der regionalen Partnervermittlung Der gemeinsame Weg heißt Ingrid Kreuzer. Ich denke: Sie wird sagen, ich sei nicht vermittelbar… ich mit meinen weißen Haaren und den 71 Jahren. Ich irre mich. Frau Kreuzer erzählt, dass gerade im Alter, wo die Menschen alleine sind, viele einen passenden Partner vermissen. Sich neu verlieben wollen. „Mit 71?“, frage ich skeptisch.
Frau Kreuzer lächelt: „Wann denn sonst?“ Und sie hat recht. Ich wünsche mir einen Mann zum Reden, zum Lachen und zum Glücklichsein. Einen, der über mein weißes Haar streichelt. Mit dem ich durch die Parks spaziere und in einem Café ein großes Himbeereis esse. Ich höre innerlich Hilde, Marianne und Erna begeistert Beifall klatschen. Also stimme ich einer Partnervermittlung zu.
Schon ein paar Tage später erhalte ich einen Anruf von Frau Kreuzer. Sie würde mir gerne Jochen vorstellen. Sie habe das Gefühl, dass dieser Mann genau der Richtige für mich ist.
Jochen und ich verabreden uns im Schloß-Café. Jochen kaut mir ein Ohr ab. Jochen mag keinen Hefekuchen. Jochens Krawatte passt nicht zum Hemd. Jochen, der grauhaarige 73jährige Germanist, ist nichts für mich. Ich werfe die Flinte und Jochen ins Korn. Frau Kreuzer informiere ich über dieses schiefgelaufene Rendezvous. Ich möchte am liebsten aufgeben. Einfach alles hinschmeißen. Doch Frau Kreuzer lässt nicht locker: Ich soll mich doch noch einmal mit Jochen treffen und nicht so schnell kapitulieren. Vor meinem geistigen Auge nicken Hilde, Marianne und Erna zustimmend.
Auf dem Marktfest am Crepes-Stand treffe ich diesen Jochen wieder. Er lächelt. Seine Krawatte passt noch immer nicht zum Hemd und ist sogar in der Mitte leicht gewellt. Doch vielleicht ist das ja auch sein Markenzeichen. Immerhin… der Puderzucker auf seinem Hemd verrät, dass Jochen durchaus Süßes isst. Sein Händedruck ist angenehm und wir setzen uns unter eine blühende Platane. Auf dem Tisch prangt ein handgeschriebener „Reserviert“-Zettel. Jochen faltet ihn mit einem spitzbübischen Lächeln zusammen und steckt das Papier in seine Hosentasche. Ein Kellner bringt, ohne dass wir etwas bestellt haben, zwei Gläser Riesling. Jochen nickt ihm verschwörerisch zu. Tauben gurren. Menschen lachen. Sonnenschein. Jochen kaut mir nichts ab. Er schweigt und schaut mich verträumt an. Seine jungenhaften Augen funkeln. Dann greift er plötzlich hinter sich und hält eine Gitarre auf seinem Schoß. Es wird ganz still auf dem Marktplatz. Jochens schlanke Finger zaubern Töne und Melodien. Ich lache, wiege mich im Takt und werde wieder jung. So jung. Meine Wangen glühen. Sei es vom Wein. Sei es von der Musik. Sei es von der Zärtlichkeit, wie dieser Mann die Gitarre zum Klingen bringt. Es duftet nach Flieder und Rosen. Der ganze schöne, unvergessliche Nachmittag.
Frau Kreuzers Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Jochens Gitarre hängt nun an meiner Wand, wenn er sie nicht spielt. Meinen nächsten Geburtstag feiern wir schon zusammen. Hilde, Marianne und Erna wackeln mit einer Linzer Torte heran. Die Zahlen 7 und 2 glänzen fast provokant im Licht der Kerzen. Jochen lächelt und steckt sie demonstrativ um: 27. So steht es nun auf meinem Geburtstagskuchen. 27. Hilde, Marianne und Erna verschlucken sich am Röstkaffee. An meinem 27. Geburtstag.
Und so ist es: Ich fühle mich mit Jochen um ganze Leben verjüngt. Ich habe zu danken, Frau Kreuzer